Die figurale
Malerei von Hans Wulz beansprucht einen ganz zentralen Anteil seines Oeuvres.
Anders als seine mit leichter Hand geschaffenen Landschaftgemälde
bedürfen seine eindringlichen figuralen Gemälde einer intensiveren
Auseinandersetzung.
Wie oft schon
zu Hans Wulz Lebzeiten erkennt der spontane Betrachter eine gut ins Bild
gesetzte Figurenkomposition in Form einer ästhetischen Darstellung
menschlicher Körper. Dieser erste Eindruck zeichnet allerdings ein
nur unvollständiges Bild von dieser Seite aus dem Werk von Hans Wulz.
Dies war im Wesentlichen auch der Grund dafür, weshalb gerade die
figurale Malerei zu Lebzeiten von Hans Wulz nicht in ihrem vollen Umfang
und in ihrer Bedeutung wahrgenommen worden ist.
In Nachschlagwerken
wird Hans Wulz überwiegend als "Landschafts-, Veduten- und
Freskenmaler" charakterisiert, so etwa in "Heinrich Fuchs, Die österreichischen
Maler des 20. Jahrhunderts, 4 Bände, Wien, 1985".
Diese zu vordergründige
Auffassung der vielschichtigen figuralen Malerei von Hans Wulz soll im
folgenden korrigiert und erweitert werden.
Wesentlich
für die Entwicklung eines tieferen Verständnisses dieser Seite
seiner Kunst ist die eingehende Beschäftigung mit der Person Hans
Wulz selbst.
Hans Wulz,
der schon als sehr junger Mann sich der Malerei verschrieben hatte, erlebte
in seiner Jugendzeit den gerade ausklingenden Impressionismus und wuchs
in der Zeit der Blüte des Expressionismus auf. An diesen beiden Stilrichtungen
orientierte sich der junge Künstler. In seinen jugendlichen Malversuchen
beschäftigte er sich in der Hauptsache mit dem Thema „Mensch“. Werke
großer Maler beeindruckten ihn: Die monumentale Malerei eines Hans
Makart und die gewaltigen Gemälde eines Albin Egger Lienz. Bereits
als Schuljunge nahm sich Wulz klassischer Themen an und es entstanden unter
dem Einfluß seiner großen Vorbilder seine ersten figuralen
Ölgemälde.
Sein erster
Beruf als Holzbildhauer verband ihn sehr mit dem Darstellungsobjekt "Mensch".
Er lernte als Lehrling die Anatomie und die Proportionen des menschlichen
Körpers kennen. Er begriff die räumliche Struktur des menschlichen
Körpers und entwickelte ein Gefühl für die Körperformen,
für den Gesichtsausdruck und für die Körperhaltung. In dieser
frühen künstlerischen Entwicklungsphase erarbeitete er auf diese
Weise eine solide Basis für seine späteren figuralen Gemälde
und Kompositionen.
In der Zeit
der 30iger Jahre bis zu seinem Studium an der Akademie für Bildenden
Künste in Wien im Jahre 1948 perfektionierte Hans Wulz seine Fähigkeit,
den Menschen, dessen Körperhaltung und Körpersprache sowie dessen
mimischen Gesichtsausdruck bildnerisch wiedergeben zu können. Er verbrachte
unzählige Stunden zunächst als Gasthörer, später dann
als Student an der Akademie und fertigte eine überaus große
Anzahl an Zeichnungen, Skizzen und Studien an. Diese umfangreiche Skizzensammlung
ist in seinem künstlerischen Nachlass erhalten. Siehe auch Verzeichnis
Grafiken (bitte anklicken),
auf der Beispiele seiner Arbeiten, sortiert nach Zeitabschnitten, dokumentiert
sind.
In späteren
Jahren entstand aus einer Serie von Entwürfen mit Bleistift oder Kohle
schließlich jeweils der endgültige Entwurf zum Bildaufbau seiner
großen Öl-Tafelbildern mit figuralen und kompositorischen Inhalten.
Mensch und
Schicksal
Das bevorzugte
Thema im Gesamtwerk von Hans Wulz sind figurale Darstellungen und Kompositionen,
in denen stets der Mensch im Mittelpunkt steht. Auf seinen großen
Öl-Tafelbildern setzt er sich mit dem Menschen und seiner Bestimmung
auseinander. Besonders faszinierten ihn der leidende und der sich sehnende
Mensch mit seinem starken mimischen Ausdruck. Für Hans Wulz war es
ein tiefes Anliegen, das Wesen des Menschen, seine Begehren, Nöte
und Probleme künstlerisch wiederzugeben.
Seine figuralen
Werke sind daher nicht nur als reine bildhafte Wiedergabe des menschlichen
Körpers zu verstehen.
Diese Gemälde
enthalten meist eine tiefere Bedeutung, welche die Belange
des menschlichen Daseins betrifft. Die symbolhafte Aussage, das,
was er durch seine Gemälde mitteilen wollte, ist ein ganz wesentlicher
Bestandteil in der Malerei von Hans Wulz. Seine Motive sind vielfach allegorischer
Natur ("Die Familie", "Die Mutter", …) oder sie entstanden aus persönlichen
Begegnungen mit Menschen, deren Lebensumstände sein persönliches
Interesse weckten oder ihn persönlich berührten, zum Beispiel
"Der Blinde", Verz. Nr. 34 und "Der Bettler", Verz.Nr. 36.
Hans Wulz war
ein sehr feinsinniger, sensibler Künstler. Sein Wesen war von einer
tiefen Menschlichkeit geprägt und diese Eigenschaft widerspiegelt
in seinem gesamten Werk. Menschliche Schicksale wie Unterdrückung,
Armut und Not haben ihn zutiefst betroffen, sind ihm sozusagen an die Seele
gegangen. Ihn hat vor allem der darbende und der leidende Mensch interessiert.
Es bestand für ihn ein innerer Auftrag, diese meist persönlich
erlebten Eindrücke durch seine Malerei auszudrücken.
Figurale
Gemälde als Spiegel eigener Belange
Seine Malerei
war sein zentraler Lebensinhalt und für ihn erst in zweiter Linie
das Mittel zum Broterwerb. Sie war für ihn ein Dialog mit sich selbst,
ein Mittel, um alles das, was ihn innerlich betraf und bewegte, auszudrücken.
Vor allem seine figuralen Gemälde sind Ausdrucksformen tief greifender
Erlebnisse und Erfahrungen, die er durch seine Malerei dann seelisch verarbeitete.
Es sind dies die düsteren Erfahrungen aus dem Krieg, die Not und das
Elend auch nach dem Ende des Krieges, der Verlust seiner geliebten Mutter
wenige Tage nach seiner Heimkehr aus dem Krieg ("Heimkehr - Mutter und
zerstörter Stephansdom", Verz. Nr. 24) aber auch seine eigenen
Begehren und Verlangen.
Das Thema "Frau
und Mutter" hatte Hans Wulz zeit seines künstlerischen Schaffens wiederholt
und in den unterschiedlichsten Varianten gemalt. Das Spektrum reicht von
realen Darstellungen der Frau bis zu mystisch-transzendenten Kompositionen.
Ein anderes
Thema, dem man im Gesamtwerk von Hans Wulz immer wieder begegnet, ist die
Darstellung einer männlichen Figur (offenbar sieht er sich darin selbst),
die meist im Hintergrund des Gemäldes zu sehen ist und die von einer
Gruppe von Frauen (meist drei) umgeben ist. Diese wiederholten Darstellungen
betitelte Hans Wulz "Das Urteil des Paris", Verz.Nr. 101, "Der
Auserwählte", Verz.Nr. 102, "Begegnung", Verz.Nr. 73, "Parzen", Verz.
Nr. 86 und 103.
Thema Mensch
und sein Bezug zur Mystik
Der Mensch
und seine Beziehung zur Mystik waren für Hans Wulz ebenfalls ein zentrales
Betätigungsfeld. "Mystik" ist ein vieldeutiger, vielschichtiger Begriff:
Sie bezeichnet eine geistige Haltung, die bewußt irrational sein
will, geheimnisvoll, rätselhaft, unergründlich. All diese
Eigenschaften der Mystik spiegeln sich in den „mystischen“ Werken von Hans
Wulz wider. Dem Betrachter erscheinen diese Werke auf den ersten Blick
zunächst unergründlich und rätselhaft und manchmal auch
tragisch, da er in seinen Gemälden die Zwänge, Ängste und
Wirren des menschlichen (seines?) Daseins sprechen läßt. In
diesen Werken sind aber dennoch Hoffnung und die Entwicklung zum Guten
zu finden, die er symbolisch in Form transzendenter Figuren oder Formen
in den Hintergrund seiner Kompositionen gestellt hat. ("Das Leben", Verz.
Nr. 81, "Mutterglück", Verz. Nr. 84)
Die "mystischen"
Gemälde von Hans Wulz sind im Allgemeinen in zwei oder mehreren Handlungsebenen
aufgebaut. In der vordersten Ebene ist die reale menschliche Welt dargestellt,
so wie sie sich Hans Wulz zum gegenwärtigen Zeitpunkt darbot. In den
dahinter liegenden Ebenen hat er den Bezug zum Geistig-Seelischen bis hin
zum Transzendenten symbolisch dargestellt. Auf diesen großflächigen
Ölgemälden dominieren die kräftigen Farben. Er liebte vor
allem die blauen Farben als die mystischen Farben. In vielen seiner blauen
Bilder spiegeln Zustandsbilder seiner Seele. Persönliche Anliegen,
Wünsche und Begehren, auch persönliches Leid, wie den Tod seiner
Mutter ("Ausklang", Verz. Nr. 29), hat er auf seinen Werken bildhaft dargestellt.
Hans Wulz wollte,
daß seine Malerei den Betrachter berührt, auf ihn Resonanz ausübt,
ihn fasziniert. Auf seinen großen Gemälden dominieren die kräftigen
Farben. Er benutzt das Instrumentarium der Farben als besonderes Ausdrucksmittel
für die Seelensprache, die zwischen dem Inhalt seiner Gemälde
und dem Betrachter vermittelt. Von "lodernden Farben" und vom "Triumph
der Farbe bei Hans Wulz" schreiben seine Kritiker.
Altarfresken
und Biblische Themen
1954 wurde
er mit der künstlerischen Gestaltung eines großen Altarfreskos
in der Judas-Thaddäus-Kirche in Wien-Döbling mit dem Thema „Liturgie“
betraut. In den folgenden Jahren hatte sich Hans Wulz in seiner Malerei
nun sehr intensiv mit bedeutenden Motiven der christlichen Kunst auseinandergesetzt.
Bis zum Beginn seiner monumentalen Arbeit am Kreuzigungspanorama im Schweizer
Einsiedeln in den Jahren 1961 und 1962 entstanden eine größere
Anzahl von beeindruckenden Ölgemälden mit biblischen und alttestamentarischen
Inhalten.
Hans Wulz
als figuraler Maler
Wie kann man
also Hans Wulz zusammenfassend als Maler charakterisieren? Er ist ein Mann,
der in seiner Malerei einen eigenen Weg gegangen ist. Er hatte versucht,
die bleibenden Werte des Impressionismus und des Expressionismus in seiner
Malerei zu nutzen. Er hat gesagt: "Mich interessieren die Moden nicht,
mich interessieren Strömungen nicht. Ich will einer Kunst dienen und
das, was mich betrifft, darstellen". "Ich lasse mich treiben von meiner
Empfindung, und ich habe die Farbe, mit der ich mich ausdrücke". Dies
war sein künstlerisches Credo.
Seine figuralen
Kompositionen waren nie Gegenstand der Auftragsmalerei. Zum Broterwerb
dienten ihm vor allem große öffentliche Aufträge. Neben
einer großen Arbeit im Kreuzigungspanorama in der Schweiz, in dem
er 1961/62 ein monumentales, 1000 qm großes Öl-Rundgemälde
schuf, fertigte er nach eigenen Entwürfen zahlreiche Wandbilder, Sgraffiti
und Mosaiken an öffentlichen Gebäuden, Wohnhäusern und Schulen
an.
Besonders hervorzuheben
sind die Fresken in der Artilleriehalle des Heeresgeschichtlichen Museum
der Stadt Wien und die beiden Altarfresken in der Judas-Thaddäus-Kirche
in Wien-Döbling und in der Kriegergedenk-Kirche in Mold in Niederösterreich.
Als begehrter
Portraitmaler hat Hans Wulz außerdem eine ganze Galerie prominenter
Persönlichkeiten aus der Politik, aus der Wirtschaft und aus der Kunst
verewigt.
Leute, die
mit Hans Wulz zu tun hatten, erinnern sich gerne an ihn. Hans Wulz war
ein Mensch, mit dem es ein Vergnügen war, zusammen zu sein, der von
einer tiefen Menschlichkeit durchdrungen war. Gerade diese Eigenschaft
zeigt sich in seinem gesamten Werk. Hans Wulz war ein rastloser, geradezu
besessener Künstler. In fast jedem Moment seines Lebens widmete er
sich seiner Kunst. Selbst in besonderen Situationen, während Besuchen,
bei gesellschaftlichen Anlässen und auch selbst während der Mahlzeiten
hatte er stets einen Bleistift zur Hand und hielt das momentane Geschehen
auf einem Stück Papier fest.
Seine sehr
bescheidene und nie nach Publizität strebende Wesensart ist vielleicht
der Grund dafür, dass vor allem seine figurale Malerei zu seinen Lebzeiten
wohl unterbewertet war.
Würde
man versuchen, das vielfältige Gesamtwerk von Hans Wulz mit einem
einzigen Wort zu charakterisieren, so wäre der Begriff „Menschenmaler"
wohl der treffendste (Zitat aus: "Barbara Konzert- Valentini, Diplomarbeit
„Hans Wulz“, Universität Innsbruck, 1992").
Eine große
süddeutsche Tageszeitung anerkennt: "Er hat sich seinen Platz in der
vorderen Reihe der Kunstschaffenden Österreichs mühsam erkämpft
und behauptet. Er gehört zweifellos zu den wichtigsten Künstlern
seines Heimatlandes nach 1945".
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